Statement von Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin
„Der DHV unterstützt mit großem Nachdruck das Motto des diesjährigen Welttags der Patientensicherheit ‚Sichere Diagnose – Richtige Behandlung‘. Denn bei der Geburtshilfe sowie bei der Betreuung in Schwangerschaft und Wochenbett ist Deutschland von diesem Ziel nach wie vor weit entfernt. Zu oft ist diese wichtige Lebensphase von Über-, Unter- und Fehlversorgung der Schwangeren und ihrer Familien geprägt. Wir müssen endlich weg vom ‚Viel-hilft-viel‘, von Risiko-Fokussierung und von der primären Finanzierung von Interventionen. Stattdessen müssen wir die Bedürfnisse von Frauen und Familien in den Mittelpunkt stellen und ihnen eine passgenaue Betreuung zukommen lassen.
Die Realität sieht allerdings anders aus: Auch gesunde Frauen bekommen bereits in der Schwangerschaft – häufig nicht evidenzbasiert – zu viele Untersuchungen angedient. Über 80% der Frauen wird eine risikobehaftete Schwangerschaft diagnostiziert. In den Kliniken führen falsch gesetzte wirtschaftliche Anreize oft zu frühen Eingriffen in den natürlichen Geburtsverlauf. Dadurch starten Interventionskaskaden bis hin zu medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitten. In der Summe führt diese Art der Versorgung zu erheblichen physischen und psychischen Langzeitfolgen für Mutter und Kind. Dies ist weder ein verantwortungsvoller Einsatz von Ressourcen, noch die richtige und passende Behandlung.
Mein Appell lautet daher: Wir brauchen in Deutschland eine Geburtshilfe, die sich zuallererst am Bedarf der Frauen und Familien im Sinne einer passgenauen, evidenzbasierten Versorgung ausrichtet. Dafür sollten die Expertise und Kompetenzen aller beteiligten Berufsgruppen unvoreingenommen voll ausgeschöpft werden.“
Weitere Informationen
- Aktionsseite des Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS): www.tag-der-patientensicherheit.de
- Die Problematik der Überversorgung in der Schwangerenvorsorge wird durch die Ergebnisse des aktuellen Versorgungskompasses zur Geburtshilfe und Hebammenversorgung in Deutschland des BARMER-Instituts für Gesundheitssystemforschung deutlich aufgezeigt. Gesunde Schwangere erhalten ungefähr genau so viele Untersuchungen wie Schwangere mit medizinischen Risikofaktoren. Risiken von Untersuchungen werden in Kauf genommen und zu viel Diagnostik führt zu unnötigen bis schädlichen Interventionen.
- Zu den Details: BARMER-Analyse „Zu viele Untersuchungen bei Schwangeren ohne medizinischen Grund?“
- Eingabe des DHV zu Qualitätsdefiziten in der klinischen Geburtshilfe beim IQTIG