Der Hebammenkreißsaal
Interprofessionelles Betreuungskonzept für die natürliche Geburt
Der Hebammenkreißsaal (HKS) ist kein spezieller Raum oder ein räumlich abgetrennter Kreißsaal, sondern ein primär interprofessionelles Betreuungskonzept für gesunde Schwangere. Durch die Implementierung eines HKS wird das geburtshilfliche Angebot innerhalb einer Klinik um eine hebammengeleitete Betreuung erweitert. Somit wird der Schwangeren ermöglicht, ihren Geburtsprozess so autark wie möglich zu erleben. Wenn keine Geburtsrisiken auftreten, wird sie im HKS ausschließlich von Hebammen begleitet. Bei höherem medizinischen Bedarf steht die Versorgungsstruktur der Klinik mit allen Fachärzt*innen zur Verfügung.
Das Konzept des HKS ist durch das Netzwerk Hebammenkreißsaal im Deutschen Hebammenverband (DHV) mit einem definierten Kriterienkatalog hinterlegt.
Zur Organisation
Mögliche räumliche Organisation des Hebammenkreißsaals:
- integriert in den interprofessionell geleiteten Kreißsaal, gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten oder
- im selben Haus mit eigenen Räumlichkeiten oder
- auf dem Klinikgelände in einem separaten Gebäude oder
- von der Klinik entfernt
Organisation der Hebammenteams für den Hebammenkreißsaal:
- im gesamten Team integriert, aus dem regulären Hebammenteam betreuen Hebammen bei Bedarf den HKS
- im gesamten Team integriert, aber es erfolgt eine Zuteilung, wer (wann) in welchem Betreuungskonzept (interprofessionell oder hebammengeleitet) arbeitet; es gibt eine vorherige feststehende Einteilung für den HKS
- in zwei getrennten Hebammenteams unter einer Leitung: ein Team für den HKS und ein Team für den interprofessionellen Kreißsaal
- in zwei getrennten Teams mit zwei getrennten Teamleitungen
Verbesserter Betreuungs- und Geburtsprozess
Die Hebamme ist, wenn sich das Konzept HKS für die Gebärende eignet, für die Betreuung der werdenden Mutter zuständig und begleitet sie während des gesamten Geburtsprozesses.
Hebammengeleitete Betreuung
Die Hebamme betreut die Frau und Familie in der Schwangerschaft und führt mindestens zwei Vorgespräche in der Schwangerschaft durch, in denen sowohl die Krankheitsgeschichte, als auch die Wünsche der Frau bezüglich der Geburt erfragt werden. Hier entscheidet sich, ob das Konzept Hebammenkreißsaal für die Gebärende grundsätzlich geeignet ist.
Der gesamte Betreuungsprozess wird von Hebammen in Zusammenarbeit mit dem gesamten geburtshilflichen Team geleitet. Bei fachlichen Fragen finden ärztliche Konsultationen oder Überleitungen der Betreuung in den interprofessionellen Kreißsaal statt. Hierfür ist in der Regel kein Raumwechsel nötig. Es erweitert sich lediglich das betreuende Team auf das ärztliche Personal.
Physiologische Geburt
Der Hebammenkreißsaal fördert die physiologische Geburt, was bedeutet, dass die Betonung auf natürlichen Geburtsprozessen liegt. Interventionen und medizinische Eingriffe werden reduziert, und es wird versucht, den natürlichen Verlauf der Geburt abzuwarten und zu unterstützen.
Ein Grundprinzip des Hebammenkreißsaals ist eine Eins-zu-eins-Betreuung, wobei eine Hebamme sich individuell und kontinuierlich um eine werdende Mutter kümmert.
Positive Auswirkungen auf die Arbeit im Klinik-Kontext
Die Hebammenarbeit
Das Konzept des Hebammenkreißsaals zielt unter anderem darauf ab, Hebammen eine erfüllende und zufriedenstellende Arbeitsumgebung zu bieten, in der sie ihre Fachkenntnisse und Fähigkeiten optimal einsetzen können. Die Eins-zu-eins-Betreuung im HKS geht mit einer durchgängigen, intensiven Geburtsbegleitung einher – das Kernelement der originären Hebammentätigkeit. Diese Möglichkeit zu haben, ist eine echte Bereicherung. Durch die wiedererlangte Autonomie steigt die Arbeitszufriedenheit, was sich wiederum positiv auf die Betreuung der Frauen im interprofessionellen Kreißsaal auswirkt.
Die interprofessionelle Zusammenarbeit
Die Arbeit im HKS erfordert eine enge Abstimmung mit allen, die Teil des geburtshilflichen Teams sind. Jede Profession ist wichtig und trägt zum Gelingen der Geburt bei. Ausgehend von diesem Verständnis verbessert sich die Kommunikation und die Zusammenarbeit im HKS. Alles wird gemeinsam erarbeitet: Über die Ein- und Ausschlusskriterien bis hin zur Planung und Durchführung eines gemeinsamen Fortbildungsprogramms. In Kliniken mit HKS erleben Ärzt*innen, Hebammen und Pflegekräfte, dass sie gerufen werden, wenn ihre fachliche Beratung benötigt wird. Sie erleben auch, dass eine physiologische Geburt in ihrer Klinik keiner ärztlichen Betreuung bedarf. Berufliche Grenzen werden erkannt und akzeptiert und gemeinsam erarbeitete Prinzipien gelebt – die beste Grundlage für ein verständnisvolles Miteinander.
Ausbildungsort Hebammenkreißsaal
Der HKS ist ein idealer Ausbildungsort, denn der*die Studierende ist hier nur Beobachter*in. Somit kann er*sie den Fokus ganz auf den Geburtsverlauf legen, ohne eigene Arbeitsschritte durchzuführen oder zu reflektieren.
Die Geburtsleitung hat die staatlich geprüfte Hebamme.
Vorteile für die Klinik
Aus wirtschaftlicher Sicht ist der HKS eine lohnenswerte Investition. Er ermöglicht beschriebene Prozesse, einen hohen Qualitätsstandard, und hat eine sehr positive Außenwirkung. Obwohl die Implementierung erst einmal eine Projektphase von mehreren Monaten, einen hohen Fortbildungsaufwand und ein zeitintensives Projektmanagement bedeutet, zahlt sich diese Investitionen auf lange Sicht aus. Mit Übernahme der Hebammen ins Pflegebudget ab 2025 ist auch die Refinanzierung der Personalstellen gesichert. Das heißt, die erforderliche Eins-zu-eins-Betreuung im HKS kann so gewährleistet werden.
Noch Fragen?
Hebammenkreißsäle im Netzwerk DHV
Das Netzwerk verfolgt das gemeinsame Ziel, das Konzept Hebammenkreißsaal zu stärken, sich über Erfolge und Schwierigkeiten auszutauschen und die Kriterien weiter zu entwickeln. Dies haben wir auch in unserer Charta des Netzwerk Hebammenkreißsaal festgehalten. Die auf der Landkarte fixierten Einrichtungen arbeiten aktiv in diesem Netzwerk mit.
HKS+ zertifizierter Hebammenkreißsaal
Sie möchten einen Hebammenkreißsaal in ihrer Klinik einführen oder haben dies bereits getan, sind aber hier noch nicht aufgenommen? Dann melden Sie sich gern bei Jana Fischer unter fischer@hebammenverband.de.
Für mehr Sicherheit: Risikoauditierung und HKS+Zertifikat
Die Risikoauditierung betrachtet den Hebammenkreißsaal auch aus der Sicht der Patientinnensicherheit. Sie beinhaltet eine detaillierte Beschreibung von Überleitung, Ein- und Ausschlusskriterien anhand des vom DHV erstellten Risikokatalogs. Eingeschlossen sind aktuelle klinische Leitlinien, Kriterien der außerklinischen Geburtshilfe sowie die Einhaltung sicherer Prozesse, zum Beispiel des Vier-Augen-Prinzips sowie die kollegiale Beratung und Betreuung. Nach bestandener Risikoauditierung erhält der teilgenommene HKS das HKS+Zertifikat als Nachweis für die erfüllte Kriterien und für die hohen Sicherheitsstandards.
Somit bietet der HKS aus Sicht der Versicherer eine sehr gute Möglichkeit, Prozesse zu beschreiben und die hebammengeleitete Geburtshilfe noch sicherer zu machen.
Der Deutsche Hebammenverband ist stolz und glücklich, diesen Prozess zu begleiten und damit einen wichtigen Schritt für die hebammengeleitete Geburtshilfe in Deutschland zu gehen. Wir möchten mit dieser Zertifizierung zeigen, dass die jeweiligen Prozesse im HKS patientinnenorientiert, durchdacht, hinterlegt und sicher sind – womit sie eine weitere Qualitätsentwicklung im Bereich HKS und der Patientensicherheit in der klinischen Geburtshilfe insgesamt bedeutet.
Weiterführende Informationen
Sollten Sie darüber hinaus noch Fragen haben, können Sie sich jederzeit entweder an Andrea Köbke, DHV-Beirätin für den Angestelltenbereich oder an Jana Fischer, Assistenz des Präsidiums, wenden. Die Kontaktdaten finden Sie am Seitenanfang.
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