Wegen des neuen Hebammenhilfevertrags planen Hebammen in der Hälfte aller bundesweit tätigen Beleghebammen-Teams, innerhalb der nächsten sechs Monate zu kündigen: Diese und weitere brisante Zahlen bringt eine aktuelle, vom Deutschen Hebammenverband (DHV) initiierte Umfrage unter Beleghebammen-Teams ans Licht. Der DHV warnt eindringlich davor, dass die geburtshilfliche Versorgung in vielen Regionen Deutschlands akut gefährdet ist. Der Gesundheitsausschuss des Bundestags wird sich am morgigen Mittwoch im Rahmen eines Fachgesprächs mit dem neuen Hebammenhilfevertrag beschäftigen.
Neben den rund 50 Prozent der befragten Teams, die innerhalb der nächsten sechs Monate Kolleg*innen verlieren werden, planen in weiteren zehn Prozent der Beleghebammen-Teams Hebammen den Ausstieg aus der Geburtshilfe in den nächsten ein bis zwei Jahren. Rund 32 Prozent sind sich noch unsicher. Als Hauptgrund für einen möglichen Ausstieg gaben 99 Prozent der befragten Teams an, dass ihre Tätigkeit wirtschaftlich nicht mehr tragbar sei. 100 Prozent rechnen demnach mit Einkommenseinbußen, 71 Prozent gehen davon aus, dass diese bei über 20 Prozent liegen werden. Gut 81 Prozent der befragten Teams sehen keine Alternative zum Belegsystem.
DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer äußert sich dazu folgendermaßen:
„Wir steuern sehenden Auges auf eine geburtshilfliche Unterversorgung von Müttern, Kindern und Familien zu. Der neue Hebammenhilfevertrag wird bei Beleghebammen zu Verdiensteinbußen von bis zu 30 Prozent führen. Da wird der Traumjob schnell zum Alptraum. Steigen massenhaft Kolleg*innen aus der Geburtshilfe aus, wie es sich jetzt schon konkret abzeichnet, wird es im gesamten Bundesgebiet zu Versorgungsengpässen in der Geburtshilfe kommen. Bundesweit werden rund 20 Prozent aller Kinder von Beleghebammen zur Welt gebracht, in Bayern sind es bis zu 80 Prozent. Gerade Kliniken in strukturschwachen Regionen sind häufig im Belegsystem organisiert. Aber auch vermeintlich sichere Kommunen können betroffen sein, da ein Dominoeffekt droht. Denn durch die hohe Quote an geplanten und ungeplanten Kreißsaalschließungen der vergangenen Jahre können die wegfallenden Kapazitäten räumlich und personell nicht aufgefangen werden – die verbliebenen Kreißsäle sind überlastet, Fachkräfte kündigen.
Diese Gefahr muss unbedingt abgewendet werden! Der Ball liegt jetzt bei der Politik. Umso richtiger und wichtiger ist es, dass der Gesundheitsausschuss im Bundestag morgen in einem Fachgespräch den neuen Hebammenhilfevertrag und seine Auswirkungen insbesondere auf das Belegsystem diskutiert. Wir kämpfen dafür, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Brisanz der Lage erkennt und den Vertrag noch einmal aufs Tableau bringt, um Nachbesserungen zu erreichen!“
Hintergrund:
An der vom Hebammenverband Baden-Württemberg durchgeführten Umfrage haben im Mai und Juni 107 von bundesweit rund 150 Beleghebammen-Teams teilgenommen, gut siebzig Prozent. Die befragten Teams sind zwischen sieben und 43 Hebammen groß. Hier finden Sie alle Ergebnisse der Umfrage.
Beleghebammen sind freiberufliche Hebammen, die in Kliniken die Geburtshilfe sicherstellen. Sie sind nicht an starre arbeitsrechtliche Vorgaben gebunden und müssen ihren Arbeitsalltag flexibler den Anforderungen im Kreißsaal anpassen. So können sie Frauen unter der Geburt bedarfsgerecht begleiten und die ambulante Versorgung gut mit der klinischen Geburtshilfe verknüpfen.
Der Hebammenhilfevertrag nach § 134a SGB V regelt die Bedingungen und Vergütungshöhen, mit denen die bundesweit rund 19.000 freiberuflich tätigen Hebammen ihre erbrachten Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen.